Mitte Januar hat das Abgeordnetenhaus von Berlin das „Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlungen in außergewöhnlichen Notlagen“ verabschiedet. Damit können ab sofort die Sitzungen und Ausschüsse der Bezirksverordnetenversammlungen per Video- oder Audio-Streaming abgehalten und auch rechtsgültige Beschlüsse getroffen werden. Jetzt muss die Gesetzesänderung nur noch in die Geschäftsordnung der BVV aufgenommen werden – eine reine Formalie, eigentlich.
Gefährlich hohen Infektionszahlen zum Trotz hat die CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung ihren Widerstand gegen Online-Sitzungen und Live-Streaming noch immer nicht aufgegeben. Den von SPD und Grünen eingereichten Anträgen wurde von CDU und AfD gemeinsam die Dringlichkeit abgesprochen – angesichts von immer schärferen Beschränkungen im Alltag der Bürgerinnen und Bürger sowie überfüllter Intensivstationen muss dies wie blanker Hohn wirken.
In einer persönlichen Erklärung nahm der Fraktionsvorsitzende der SPD, Norbert Buchta, zur Dringlichkeit des Antrags Stellung. Hier finden Sie die Erklärung im Wortlaut:
Herr Vorsteher,
meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
wir befinden uns in einer Pandemie, die Infektionszahlen sind hoch, Mutationen von COVID-19 sind bereits in Steglitz-Zehlendorf nachgewiesen und der Lockdown wird immer schärfer. Wir muten den Bürgerinnen und Bürgern, den Schulen, Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern und der Wirtschaft Erhebliches zu. Mein Dank an all diejenigen, die sich daran halten.
Was fällt uns als BVV dazu ein?
Nichts, außer digitale Abstinenz, Pairing-BVV und Weitermachen wie bisher! Wir sind von den Pandemie-Regeln für unsere Tätigkeit als Bezirksverordnete ausgenommen – und nur in der Tätigkeit – und können uns selbst organisieren. Aber sind wir als Politiker Vorbild, weil von uns als gewählte Volksvertreter erwartet wird, dass wir weitermachen, oder sind wir Vorbild, weil wir uns „pares inter pares“ an die Regeln halten, die die Regierungen und die Legislative vorgeben, und wir es auch von den Bürgerinnen und Bürgern so erwarten?
Ich gebe zu, das ist eine schwierige Frage und Entscheidung. Es gibt für beide Seiten gute Argumente. Jede persönliche Entscheidung respektiere ich. Aber haben wir als BVV in den vergangenen Monaten vorausschauend gehandelt und Wege beschritten, die lösungsorientiert sind, Möglichkeiten aufgezeigt und diskutiert? Nein, haben wir nicht!
Ich und die Mitglieder der SPD-Fraktion stehen zu ihrer politischen Verantwortung und tragen ein großes Maß zum Fortgang der BVV-Arbeit, gerade in Zeiten der Pandemie, bei und mit. Als Fraktionsvorsitzender habe ich auch die Verantwortung für meine Fraktion und habe persönliche Risiken zu beachten: Die Verantwortung im öffentlichen Auftreten, im politischen Miteinander. Aber auch die Verantwortung zum Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden in der Verwaltung, zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die zu uns in die Versammlung kommen, aber eigentlich zu Hause bleiben sollten. Kontakte sind zu minimieren.
Als Bezirksverordneter kann ich selbst entscheiden, ob ich an Sitzungen teilnehme, Mitarbeitende der Verwaltung nicht. Ich bedanke mich ausdrücklich für ihre Arbeit und Unterstützung unserer Arbeit in den letzten Wochen und Monaten!
Ich und die Mitglieder der SPD-Fraktion halten es derzeit für unverantwortlich, eine BVV und Ausschuss-Sitzungen in Präsenz durchzuführen. Die Lösung sind digitale Formate. Jetzt wurde die gesetzliche Grundlage durch das Abgeordnetenhaus geschaffen. Wir müssen die Chance schnell ergreifen, um ab Februar zumindest die Ausschüsse in digitalen Formanten tagen zu lassen. Vorschläge verschiedener Fraktionen liegen der BVV vor.
Warum ist Steglitz-Zehlendorf an diesem Punkt nicht weiter? Es fehlte die Vision, es fehlte der Mut und vor allem der politische Wille der im Bezirk Verantwortlichen. Nur die Verantwortung beim Senat zu suchen ist zu einfach, Vorschläge aus den Reihen der Fraktionen gab es genug.
In der Vergangenheit mussten leider die verantwortlichen Bezirksamtsmitglieder und die Zählgemeinschaft mühsam zum Handeln bewegt werden. Schon die Raumsuche für den Ersatz-Tagungsort war mehr als zäh. Wir haben immer nur gehört, warum etwas nicht geht, aber nie gehört, was zu tun ist, damit es funktionieren kann. Mit mehr Vorstellungskraft, Innovation und Mut, wären wir bereits digital. Andere Bezirke – rund ein Drittel – sind uns meilenweit voraus.
Vielleicht klappt noch nicht alles einwandfrei, doch es wurde die Zeit genutzt, sich vorzubereiten, sich aufzustellen und nicht auf Entscheidungen des Senats beziehungsweise des Abgeordnetenhauses gewartet, sondern es wurde gehandelt. Sie haben digitale Sitzungen, digitale Abstimmungsgeräte in der BVV, ab Februar wird dies auch online eingesetzt. Im Vergleich sitzen wir noch in der Kutsche und die anderen bereits im HyperLoop von Tesla.
Mit Bedenken nehmen ich und die SPD-Fraktion an der BVV teil, um die Digitalisierung der BVV voranzubringen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Erklärung können Sie hier als PDF herunterladen.
Einen Bericht des Tagesspiegels zur Debatte finden Sie unter diesem Link.
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