Wir drehen mal eine Runde: An einem sonnigen September-Nachmittag kurz vor der Wahl rudere ich mit Norbert Buchta hinaus auf den Schlachtensee. Im Gespräch blickt er zurück auf eine ereignisreiche Legislatur, deren zweite Hälfte vor allem von der Corona-Pandemie geprägt war. Zudem gibt der Vorsitzende der SPD-Fraktion Steglitz-Zehlendorf einen Ausblick darauf, was er gerne nach der Wahl in seinem Heimatbezirk erreichen möchte. Leinen los!
Norbert Buchta stellt sich fortan in einer Artikelserie den Fragen der Bürgerinnen und Bürger, die ihn regelmäßig per Telefon, Brief, E-Mail oder in den sozialen Medien erreichen – im persönlichen Gespräch gestellt und aufgezeichnet von Roman Gerhardt. Haben Sie auch eine Frage an Norbert Buchta? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Vor einem Jahr waren wir schon einmal am Schlachtensee. Die Menschen hatten gerade den ersten Lockdown hinter sich gebracht, die Steglitz-Zehlendorfer Bezirksverordneten tagten aus Platzgründen in einer Kirche. An eine zweite, dritte und vierte Corona-Welle wollte damals noch keiner denken. Wie ging es dann weiter?
Man sagt ja, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – mit dem Umzug der BVV in die Pauluskirche fühlte sich unsere Arbeit tatsächlich für eine kurze Zeit sehr neu und spannend an. Dieser Zauber hielt jedoch nicht lange: Im Herbst und Winter wurde es in der Kirche extrem kalt, und die steigenden Inzidenzen ließen sich auch mit den dort möglichen, größeren Sitzabständen und der Halbierung der Teilnehmerzahl nicht mehr schönreden.
Im Dezember kam es dann zum – erwartbaren – GAU, als ein Mitglied einer anderen Fraktion positiv getestet wurde. Der Mann hatte kurz vorher noch an mehreren Ausschuss-Sitzungen teilgenommen. Eigentlich hätte man die BVV dann sofort absagen müssen – ich ärgere mich bis heute, wie lange vor allem die Mitglieder der schwarz-grünen Zählgemeinschaft gebraucht haben, um sich zu dieser Entscheidung durchzuringen! Erst auf Druck durch das SPD-geführte Gesundheitsamt wurde die Sitzung dann wenige Stunden vor Beginn abgesagt.
Seit März tagen die Bezirksverordneten nun digital. Der Zehlendorfer Journalist Boris Buchholz hat das beschlossene Verfahren im Tagesspiegel als „hochmütig“ und „überheblich“ bezeichnet. Wie stehen Sie dazu?
Ich stimme ihm voll und ganz zu! Wir als Bezirksverordnete sitzen bequem und sicher zu Hause, und die Presse, die Bürgerinnen und Bürger müssen weiter ins Rathaus kommen? Diesen Habitus kennen wir von der CDU im Bezirk schon lange, und die Grünen haben sich von diesem negativen Sog leider zuletzt allzu oft mitziehen lassen.
Ich denke aber, dass den Menschen im Bezirk durch Corona mehr als zuvor bewusst geworden ist, von wem sie da eigentlich regiert werden. Wir nehmen im Wahlkampf jedenfalls eine deutliche Wechselstimmung wahr. Bei gemeinsamen Terminen bekomme ich immer wieder mit: Vor allem unsere Spitzenkandidatin Carolina Böhm – jetzt noch Stadträtin für Jugend und Gesundheit – wird von den Bürgerinnen und Bürgern für ihre Ehrlichkeit und Unverfälschtheit sehr geschätzt.
Also keine „hybriden Sitzungen“ mehr nach der Wahl?
Das hängt natürlich zuallererst von den Wahlergebnissen ab – aber ganz klar: Wir als SPD haben uns von Anfang an für einen öffentlich zugänglichen Livestream für alle Interessierten eingesetzt, am besten auch auf leicht zugänglichen Kanälen wie YouTube. Daran werden wir festhalten, auch und ganz besonders als Teil einer möglichen Zählgemeinschaft – und übrigens auch nach Corona!
Wie wirken sich die digitalen Sitzungen auf die Arbeit der Bezirksverordneten aus? Mir ist aufgefallen, dass bei den Videostreams zahlreiche Verordnete irgendwo draußen unterwegs sind, im Auto sitzen oder ihre Kamera gleich ganz ausgeschaltet haben.
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an! Ich finde das sehr respektlos dem politischen Amt und den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber. In einer Präsenzsitzung sind schließlich auch alle persönlich anwesend, und wer später kommt oder früher gehen muss, hat dies beim Vorsteher zu melden. Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir in der nächsten Legislatur hier klarere Regeln schaffen.
Haben Sie ihre Kamera tatsächlich die komplette Zeit angeschaltet?
Klare Antwort: Ja. Auch in den Ausschuss- und Fraktionssitzungen.
Generell hoffe ich natürlich, dass wir uns auch bald wieder persönlich gegenübersitzen werden. Die Politik lebt vom menschlichen Kontakt, von Absprachen und Kompromissen.
Absprachen und Kompromisse, das klingt nach Hinterzimmer und halben Sachen.
Ja, das wird heute leider oft so gesehen – ich denke, das ist vor allem den Sozialen Medien geschuldet, wo ein Tweet nur 280 Zeichen haben darf, und auch auf Facebook oder YouTube verfangen vor allem knallige und markige Positionen. Durch die Corona-Distanzregeln haben diese Formate leider noch einmal viel mehr an Einfluss im Alltag gewonnen.
Fakt ist doch, dass nicht jede Idee einer einzelnen Person oder Partei immer Gold wert ist. Die meisten Dinge muss man mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, Fachleuten und natürlich auch den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam entwickeln, um eine gute Politik für alle machen zu können, und nicht nur für die eigene Kernwählerschaft. So bald die Bezirksverordneten mehrheitlich geimpft sind, und hoffentlich auch die Inzidenzen nicht wieder steigen, sollten wir zu dieser gemeinschaftlichen, persönlichen Arbeitsweise so schnell wie möglich zurückkommen!
Ist die Pandemie bald zu Ende?
Haha – ich bin Politiker, kein Prophet! Aber ich denke, dass es wichtig ist, jetzt Schritt für Schritt zur Normalität zurückzukehren. Vor allem halte ich es für absolut richtig und unverzichtbar, dass die Schulen und Kindertagesstätten jetzt wirklich geöffnet bleiben!
Die Belastung der Eltern durch „Homeschooling“ und Betreuung rund um die Uhr war enorm. Als Vater von zwei Kindern weiß ich aus eigener Erfahrung, wovon ich rede. Und dabei habe ich noch Glück, weil ich mir die Arbeit mit meiner Frau teilen kann. Für Alleinerziehende war die Situation ungleich härter. Ich möchte daher allen Eltern meinen großen Dank und Respekt aussprechen, wie sie diese Situation gemeistert haben.
Dennoch werden wir in den kommenden Jahren natürlich großen Aufholbedarf haben, weil die Lehrpläne in den Schulen eben nicht komplett abgearbeitet werden konnten, und zum Beispiel der Schwimmunterricht ganz entfallen musste. Bei den Schwimmkursen hat sich die SPD-Fraktion dafür eingesetzt, dass den Jungen und Mädchen im Bezirk ein kostenloses Angebot gemacht wird, dmit sie diese in den kommenden Monaten nachholen können. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Antrag in der BVV noch vor dem Ende der Legislatur beschließen konnten!
Wo verläuft für Sie privat die Grenze zwischen Vorsicht und Normalität?
Zunächst einmal ist es natürlich wichtig, sich impfen zu lassen – zumindest, wenn dem keine gesundheitlichen Gründe entgegenstehen. Als die Impfstoffe für Kinder ab 12 Jahren freigegeben wurden, war mein Sohn tatsächlich erstmal etwas skeptisch, in der Schule kursierten da leider einige sehr abenteuerliche Geschichten. Er hat sich dann selbst sehr intensiv mit dem Thema Impfen auseinandergesetzt, die Vor- und Nachteile und Risiken recherchiert und abgewogen. Am Ende hat er sich dann impfen lassen. Ich bin sehr stolz auf ihn! Meine Tochter ist noch unter zwölf, daher steht die Impfung bei ihr aktuell noch nicht zur Diskussion.
Daneben war die Situation jetzt im Sommer natürlich recht komfortabel, da man die meisten Aktivitäten einfach nach draußen verlegen konnte. Vor wenigen Wochen wurde die Konfirmation von meinem Sohn nachgeholt: Statt wie sonst üblich zu Ostern in der Kirche wurde der Gottesdienst dann im August draußen auf der Wiese gefeiert. Da haben wir nach über einem Jahr endlich unsere Eltern, meinen Bruder und seine Familie, alle Cousins und Cousinen wiedergesehen. Das war ein unglaublich emotionaler Moment und eine wunderschöne Feier!
Welche Rolle spielt die Kirche in Ihrem Leben?
Ich denke, für mich gehört die Kirche einfach zum Leben ganz natürlich dazu. Es ist jetzt nicht so, dass ich jeden Tag bete oder freihändig aus der Bibel zitieren kann. Aber ich kann mir ein Leben ohne Religion auch nicht vorstellen. Und das gebe ich auch an meine Kinder weiter.
Ganz generell ist es doch so, dass unsere Gesellschaft nach wie vor kirchlich geprägt ist: Fast alle Feiertage beruhen auf einem kirchlichen Hintergrund, auch viele Feste und Traditionen. Natürlich ist die Kirche als Institution teilweise verstaubt, aber trotzdem ist es mir wichtig, dass meine Kinder die Grundlagen kennenlernen – was sie dann später daraus machen, ist ja ihre Sache. Meine Tochter lernt gerade in der Schule nicht nur das Christentum, sondern auch die anderen großen Religionen wie Judentum, Islam und Buddhismus kennnen und findet das unglaublich spannend!
Kommen wir noch einmal zurück zur Politik: Was wird aus dieser Legislatur neben Corona in Erinnerung bleiben, welche wichtigen Weichen wurden gestellt?
Weil wir hier gerade auf dem Schlachtensee sind, fällt mir natürlich zuallererst das „Zukunftskonzept Schlachtensee und Krumme Lanke“ ein, das vor knapp einem Jahr beschlossen wurde und die Aufenthaltsqualität und den Naturschutz an den Seen verbessern soll. Das Ursprungskonzept haben wir vor vielen Jahren bei uns in der Abteilung verfasst, anschließend mit den anderen Parteien und den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. In den kommenden Jahren wird es dann an die Umsetzung gehen.
Ebenfalls bleiben wird unser Klimaantrag, bei dem wir auch die Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future einbinden konnten. Der Antrag enthält konkrete Schritte hin zu einem klimaneutralen Bezirk. Wir haben mit den anderen Fraktionen über ein Jahr lang diskutieren müssen, am Ende sind wir dann aber zu einem guten Ergebnis gekommen.
Außerdem bin ich sehr froh, dass in dieser Legislatur endlich der Weg eingeschlagen wurde hin zu einem wirksamen Milieuschutz. Die SPD fordert bereits seit fast 15 Jahren, mehr gegen Verdrängung zu tun, aber die CDU als bislang stärkste Kraft im Bezirk hat sich da immer gesperrt. Jetzt sind zumindest einmal die Feinuntersuchungen im Umfeld der Schloßstraße beschlossen worden. Die hätten wir uns in noch deutlich mehr Gebieten gewünscht, aber mehr war mit dieser Zählgemeinschaft nicht zu erreichen. Die Widerstände beim Thema Mieterschutz sind bei der CDU leider sehr stark.
In Lichterfelde-Süd wird bald auch endlich gebaut, was wir sehr begrüßen. Weniger glücklich sind wir allerdings mit dem Taktieren der Bezirksbürgermeisterin, die den städtebaulichen Vertrag präzise einen Tag vor dem Inkrafttreten neuer, mieterfreundlicherer Regeln unterzeichnet hat. Für den Investor bedeutet das vor allem, dass er weniger Sozialwohnungen errichten muss, die wirklich dringend benötigt werden. Das hat schon ein Geschmäckle.
Sie rudern jetzt gerade weit nach links.
Besser als rechts, oder? Aber wir sollten uns auch nicht im Kreis drehen…
Dann schauen wir doch mal nach vorne: Welche konkreten Projekte wollen Sie in der nächsten Legislatur als erstes angehen?
Ein Thema, das vielen Menschen hier im grünen Südwesten Berlins unter den Nägeln brennt, ist die scheinbar endlose Schließung des Landschaftsparks Klein-Glienicke. Schon seit dem Frühjahr 2020 ist der größte Teil des Parks gesperrt, nur der kleine Bereich, der zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehört, ist geöffnet. Da möchte ich unbedingt erreichen, dass wir im kommenden Jahr wieder aufsperren können – zumindest mal die Bereiche rund um die großen Freiflächen. Es kann nicht sein, dass dieses wichtige Naherholungsgebiet auf ewig geschlossen ist.
Ich frage mich vor allem, wie konnte es so weit kommen? Offensichtlich ist die Pflege dieses einmaligen und auch historisch bedeutsamen Landschaftsparks vom zuständigen Grünflächenamt über viele Jahre massiv vernachlässigt worden. Die derzeitige Stadträtin erklärt das mit der Dürre und Stürmen – also letztlich Folgen des Klimawandels. Unseren Antrag, die Parks und Grünflächen im Bezirk klimaresilient zu machen, haben sie und ihre Partei – die Grünen – dann trotzdem im Ausschuss durchfallen lassen. Dabei hätte es dafür sogar ein Förderprogramm gegeben!
Ein weiteres Projekt, das ich gerne schnellstmöglich umsetzen möchte, ist die schon lange geplante Rampe am Stölpchensee für gehbehinderte Menschen, Fahrradfahrer und Familien mit Kinderwagen. Derzeit gibt es dort nur eine lange Treppe. Den ersten Antrag dazu habe ich schon 2015 eingereicht, danach noch einmal 2017 und 2021. Leider fehlt beim Bezirksamt nach wie vor absolut der Wille, den Bürgerinnen und Bürgern entgegenzukommen. Ich hoffe, dass wir nach der Wahl endlich die erforderlichen Stimmen in der BVV zusammenbekommen werden, um den Bau der Rampe durchzusetzen!
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