An einem der letzten richtig warmen Spätsommertage des Jahres treffe ich den Vorsitzenden der SPD-Fraktion Steglitz-Zehlendorf in der Fischerhütte am Schlachtensee. Obwohl das Thermometer heute noch einmal 27 Grad zeigt, weht schon ein leichter Herbstwind, die Bäume beginnen sich zu verfärben. Norbert Buchta weist auf einen freien Tisch direkt am Wasser. Lange hat der gebürtige Zehlendorfer in der Nähe gewohnt, auch heute zieht es ihn noch regelmäßig auf ein Bier hierher.
Norbert Buchta stellt sich fortan in einer Artikelserie den Fragen der Bürgerinnen und Bürger, die ihn regelmäßig per Telefon, Brief, E-Mail oder in den sozialen Medien erreichen – im persönlichen Gespräch gestellt und aufgezeichnet von Roman Gerhardt. Haben Sie auch eine Frage an Norbert Buchta? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Vor ein paar Tagen hat die Bezirksverordnetenversammlung getagt – in einer Kirche! Braucht es in Zeiten von Corona höheren Beistand, um die Probleme im Bezirk lösen?
Haha – na ja, manch einem würde etwas Erleuchtung vielleicht nicht schaden!
Aber im Ernst: Um die Hygiene- und Abstandsregeln im Bürgersaal im Rathaus Zehlendorf einhalten zu können, haben wir im Juni und August nur mit der Hälfte der Verordneten getagt. Das kann natürlich kein Dauerzustand sein – jeder und jede Verordnete ist schließlich persönlich gegenüber den Wählerinnen und Wählern verantwortlich! Diese Verantwortung kann man nicht einfach delegieren.
Daher haben wir im Ältestenrat darauf gedrungen, endlich einen Ersatz-Tagungsort zu finden. Das hätte theoretisch auch eine Sporthalle sein können. Gerade die christdemokratischen Kollegen hatten lustigerweise die größten Probleme mit der Kirche. Ich sehe das eher pragmatisch – und am Ende hat ja alles wirklich gut funktioniert!
Funktioniert hat ja auch Ihre Aktion in der Schloßstraße, Händler und Fahrradaktivisten miteinander ins Gespräch zu bringen – im Ergebnis fordert Ihre Fraktion jetzt die Abschaffung aller Privatparkplätze. Weil die Autofahrer nicht nur schwarz parken, sondern eh auch schwarz wählen?
Die Autofahrer – können Sie die denn einfach so verallgemeinern?
Ich fahre selbst gerne mit dem Auto, stimme den Fahrradaktivisten aber absolut zu, dass die derzeitige Situation in der Schloßstraße nicht akzeptabel ist. Auch wenn sich sicher die meisten Autofahrer rücksichtsvoll und den Regeln gemäß verhalten, sind die Falschparker trotzdem keine Einzelfälle, da haben wir es wirklich mit systematischen Verstößen zu tun.
Außerdem muss ich widersprechen, wir fordern gar nicht die Abschaffung aller Parkplätze, ganz im Gegenteil: Insbesondere für Menschen mit Behinderung möchten wir die Parkmöglichkeiten deutlich verbessern, außerdem fordern wir den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, die dort dann selbstverständlich auch parken können.
Worum es uns vor allem geht, ist, das wilde Falschparken gerade in den Ladezonen in den Griff zu bekommen. Darunter leiden nämlich sowohl die Händler, deren Lieferanten quasi zwangsläufig in zweiter Spur parken müssen, aber vor allem die Radfahrenden, die zu gefährlichen Ausweichmanövern gezwungen werden. Das können und wollen wir nicht länger so hinnehmen.
Es gibt in der Schloßstraße eine U-Bahn und zahlreiche Buslinien, und wer wirklich mit dem Auto kommen möchte, dem stehen vier Parkhäuser zur Verfügung.
Na ja, aber ich habe schon den Eindruck, dass die Luft für die Autofahrer im Bezirk recht dünn wird. Ich denke nur mal an die Havelchaussee, die Sie auch saisonal zur Fahrradstraße erklären wollen. Können Sie solche Spielereien nicht den Grünen überlassen und Politik für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bezirk machen – die ja irgendwie zu ihrer Arbeitsstelle kommen müssen?
Spielereien? Der Klimawandel geht uns alle an! Sehen Sie doch mal nach Austalien oder in die USA… Ich möchte nicht warten, bis der Grunewald in Flammen steht!
Und natürlich setzen wir uns weiterhin für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein. Denn klar ist doch auch: Es kann sich nicht jeder eine Innenstadtwohnung leisten, oder ist fit genug, um jeden Tag aus den Außenbezirken zur Arbeitsstelle zu radeln. Für diese Menschen muss es auch Mobilitätsangebote geben.
Daher fordern wir unter anderem die Verlängerung der U-Bahn-Linien in unserem Bezirk, sowie die Wiederinbetriebnahme der Stammbahn. Ohne Ausbau der Öffentlichen wird es nicht gehen. Die Verkehrswende muss für alle funktionieren!
Ist jetzt also Rot das neue Grün?
Nee, ich bleib bei Rot! Aber es stimmt schon, hier im Bezirk müssen wir die Grünen relativ oft zum Jagen tragen. Die Parkplatzsituation in der Schloßstraße fällt eigentlich in den Verantwortungsbereich der grünen Stadträtin Schellenberg. Auch der Antrag zur Havelchaussee wurde von uns gemeinsam mit der Linksfraktion eingebracht, die Grünen waren nicht dabei. Aber nächstes Jahr werden die Karten ja neu gemischt – ohne die CDU wäre sicher viel mehr möglich!
Wären Sie gerne Bezirksbürgermeister?
Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Klar! Aber ich bin auch realistisch. Mein Ziel ist vor allem, die schwarzgrüne Zählgemeinschaft abzulösen. Der Stillstand im Bezirk dauert jetzt schon lange genug. Egal ob Schule, Bauen, Verkehr, Finanzen… es hakt doch überall.
Eine linke Mehrheit im Bezirk gibt es schon jetzt.
Ja.
Sonst sagen Sie nichts?
Fragen Sie mich nicht! Ich denke, es war nicht die beste Entscheidung der Grünen, nach der letzten Wahl wieder die CDU zu unterstützen.
Die grüne Fraktion in Steglitz-Zehlendorf stellt sich immer wieder gegen Kernthemen der eigenen Partei – beim Klimaschutz schieben wir sie immer wieder mit Anträgen vor uns her, und bei der Umwidmung der Spanischen Allee haben sie lieber mit CDU und AfD gestimmt als mit SPD und Linken.
Was ist an der Spanischen Allee falsch? Diese permanenten Umbenennungen sind doch wirklich lästig!
Es ging nicht um eine Umbenennung – nur um eine Umwidmung. Die Spanische Allee hat ihren Namen in den Dreißigerjahren erhalten zur Erinnerung an die Rückkehr der faschistischen „Legion Condor“ aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Das waren Kriegsverbrecher! Diese Widmung hätten wir gerne geändert.
Das ärgert Sie.
Stimmt!
Den U-Bahnhof Onkel Toms Hütte wollen Sie aber wirklich umbenennen.
Nein – zumindest nicht als Beschluss von oben. Wir möchten die Bedingungen schaffen, damit die Anwohnerinnen und Anwohner mit jenen Menschen, die sich durch die Benennung beleidigt fühlen, in Kontakt kommen und diskutieren können. Ich finde, beide Seiten haben absolut nachvollziehbare Argumente.
Entscheidend ist doch, dass wir alle – egal wo wir oder unsere Eltern ihre Wurzeln haben – in dieser schönen Stadt gemeinsam glücklich leben möchten. Von der Vielfalt leben wir!
Vielfalt scheint für viele Menschen derzeit aber auch etwas Bedrohliches zu haben. Gerade im Osten Berlins und Deutschlands. Können Sie als Sozialdemokrat die 30 Jahre Einheit unter diesen Umständen überhaupt guten Gewissens feiern?
Diese Frage ärgert mich schon etwas. Warum gibt es immer noch Meinungsumfragen, die nach Deutschland und Beitrittsgebiet abgefragt werden – oder aktuell zur politischen Stimmung nach Ost- und West-Berlin?
Die Deutsche Einheit ist jetzt dreißig Jahre her. Für mich war das in meinem Leben ein Meilenstein und eine persönliche Prägung. Mein Vater sagte immer im Transit, dass wir durch Deutschland fahren und er auf eine Wiedervereinigung hoffe – er es aber wohl nicht mehr erleben werde. Mein Vater lebt immer noch und erfreut sich dieser gewonnen Freiheit bis heute!
Ich selbst war bei der Wiedervereinigung 16 Jahre alt und stand nachts mit meinen Freunden am Reichstag und habe der Zeremonie beigewohnt. Bis heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an diesen Abend denke.
Sicherlich mag damals und seither nicht alles richtig gelaufen sein, doch die Einheit zu diesem Zeitpunkt war richtig und wichtig – heute würde man dazu wohl „alternativlos“ sagen. Wir haben die Einheit zu leben und weiter zu gestalten. Natürlich gibt es regionale Unterschiede, aber die gibt es nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd. Ich denke, insgesamt sollten wir in Deutschland viel gelassener sein und optimistisch in die Zukunft blicken!
Optimismus fällt vielen Menschen derzeit nicht leicht, angesichts von steigenden Corona-Zahlen und der Angst vor einem zweiten „Lockdown“.
Zu Corona wurde und wird immer noch sehr viel gesagt und geschrieben. Auch hier plädiere ich zu mehr Gelassenheit und Eigenverantwortung. Abstand halten, Mund-Nasen- Schutz tragen und generell die Hygiene-Regeln einhalten – seien wir mal ehrlich, das sind doch für den einzelnen nur geringe Eingriffe in das tägliche Leben. Gleichzeitig kann man damit das Leben von anderen Menschen schützen. Ist es das nicht wert?
Selbstverständlich freue ich mich schon riesig auf die Zeit, wenn man wieder unbeschwert feiern oder zu Konzerten gehen kann. Klar ist aber auch: Das braucht noch Zeit, und bis dahin sollten alle ihr Möglichstes dazu beitragen, dass wir diese Pandemie weiterhin gut überstehen. Jeder und jede kann ein Vorbild sein!
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